Eine Frage, die sich alle stellen: Wie tief kann ein Zinssatz fallen? Vor zehn Jahren gab es darauf eine Antwort: bis auf null Prozent. Inzwischen wissen wir, dass diese Antwort falsch war und es unter null Prozent theoretisch überhaupt keinen Tiefst-Punkt mehr gibt. Damit ist der Weg in die „Zins-Hölle“ offen.
Wissenschaftliche Untersuchungen in der jüngsten Zeit haben gezeigt, dass die Wirkung einer Negativ-Zinspolitik prozentual in der Praxis wahrscheinlich begrenzt ist. Sollte der von der Politik gewollte oder vorgegebene Zinssatz einen bestimmten – bis heute nicht bekannten – negativen Prozentsatz überschreiten, so scheint sich dies in der Praxis zu bestätigen. Klar scheint zu sein, dass es eine entscheidende Zinswende nach oben für sehr lange Zeit nicht geben wird (nach Experten-Meinung evtl. 10 bis 20 Jahre). Kann sich aber die heutige Situation nach unten noch „verschlimmbessern“?
Die Ökonomen Markus Brunnermeier und Jann Koby von der Princeton-University in New Jersey haben festgestellt, dass sich bei, durch die Notenbank politisch vorgegebenen, prozentual zu negativen Zinsen der Zinssatz in Folge aber dann nach oben Die EZB hat wohl bereits erkannt, dass der Umkehr-Zins nicht mehr allzu fern ist. Deshalb hat sie sich anlässlich der letzten Zinssenkung für Ausnahmen bei bestimmten Banken entschieden. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte schon vorher ähnliche Maßnahmen ergriffen.
Was geschieht also bei anscheinend zu niedrigen Negativ-Zinsen? Ganz einfach: Es gibt Ausweichstrategien für Anleger. Negativ-Zinsen bedeuten laufende „Lagerkosten“ für das geparkte Geld. Je negativer die Renditen werden, desto mehr Alternativen stehen möglichen Anlegern zur Verfügung.
Die derzeit einfachste Lösung: Kontoguthaben abheben und zu Hause parken. Wenn das alle machen, vermindert dies merklich den Umlauf an liquiden Mitteln im gesamten Geldsystem. Folge: Kurzfrist-Geld wird knapp und Marktteilnehmer müssen, wenn sie sich Geld leihen wollen, um überhaupt gegenüber anderen Marktteilnehmern kreditmäßig zum Zuge zu kommen, die anderen Marktteilnehmer zinsmäßig nach oben überbieten. Das erhöht dann die Zinsen und vermindert den Negativ-Zins.
Bargeldhalten lohnt sich erst, wenn die Aufbewahrungskosten dafür den Negativ-Zins unterschreiten. Das mag bereits ab einem Negativ-Zins von ca. -1% der Fall sein. Das ganze „Ausweichmanöver“ könnte man auch auf Fremdwährungsbasis oder durch Gold-Kauf, etc. durchführen. Jedenfalls wandern die liquiden Mittel aus dem Kurzfristbereich ab in irgendwelche anderen langfristigen Marktnischen mit der beschriebenen Wirkung.
Tatsächlich sind nach der letzten, sehr breit in allen Medien diskutierten Zinssenkung der EZB vor ca. vier Wochen die Zinsen nachhaltig gestiegen und nicht weiter gefallen. Es spricht also einiges dafür, dass im Bereich des Negativ-Zins nicht allzu viel Platz mehr nach unten ist und es den Umkehr-Zins tatsächlich gibt.
Aber: Die Politik denkt – natürlich im Verborgenen – sehr intensiv darüber nach, den Bargeldumlauf zu beschneiden. Der Druck der äußerst beliebten 500 Euro-Note für die Bargeldhaltung ist bereits seit Ende letzten Jahres nicht mehr erlaubt. Summengrenzen für Bargeldzahlungen(derzeit zwischen maximal EUR 500,- bzw. EUR 3.000,-) sind schon in fast allen EU-Ländern geübte Praxis. Noch sind wir in Deutschland von dieser Regelung nicht Bei Gold-Käufen zählt jedoch – ohne weitere Formalitäten – ab Januar 2020 (also bereits in acht Wochen) eine Obergrenze von EUR 2.000,-(!). Aufgepasst!
Den Umkehr-Zins gibt es wahrscheinlich schon, aber politisch liegen die Lösungen zu dessen Vermeidung bereits in der Schublade. Dazu gehört dann die Einführung eines Wechselkurses zwischen Konto-Ein- und
-Auszahlung gegenüber Bargeld. Eine freie veränderbare Kursdifferenz von beispielsweise 2% – 3% pro Transaktion und der Umkehr-Zins sind auf diese Weise abgeschafft.
Der frühere Verfassungsrichter, Prof. Dr. Dres. h.c. Paul Kirchhof, ist der Meinung, es gäbe ein Grundrecht auf Zinsen – alles andere verletze verfassungsrechtliche Garantien. Aber auch dies wird keinem Anleger helfen. Ein entsprechendes Urteil wäre in ca. zehn Jahren zu erwarten.